„Am Heimmarkt lernen“

Klaus Bernhardt

Klaus Bernhardt, Leiter der Kernbereiche F&E und Energie im Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI), gab dem „technikreport“ ein Interview über Energieeffizienz und ihre Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Österreich.

technikreport: Einerseits will man Österreich als Produktionsstandort erhalten, andererseits klagen Unternehmen, dass ihnen Regeln für Umweltschutz und Energiewende hier das Leben schwer machen. Lässt sich beides unter einen Hut bringen?

Klaus Bernhardt: Oberstes Ziel muss sein, den Produktionsstandort attraktiv zu machen. Nur damit wird nachhaltiger Aufbau von Wissen machbar und es können neue Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Österreich geschaffen werden: Ohne die produzierende Wirtschaft würde Österreich nicht lange überleben. Dienstleistungen sind zwar wichtig, aber wir brauchen Güter, die wir exportieren können. Deshalb müssen wir die Produktion halten. Das erfordert, dass wir passend Rahmenbedingungen gestalten, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Energiekosten sind dabei eine wichtige Komponente. In Summe sind die Gesamtkosten für Elektrizität relativ stabil. Zwar sinkt der reine Strompreis, aber Steuern und Abgaben steigen – politisch gesteuert. Das Stromnetz zu modernisieren ist notwendig und verursacht ebenfalls Aufwände. Laut Eurostat liegt der Strompreis für Industriekunden in Österreich deutlich unter dem EU-28-Durchschnitt. Die Energiewende hat daher zwei Seiten.

Überwiegen die Vorteile oder die Nachteile?

Aus meiner Sicht ist die Energiewende ein Weg, den man gehen muss. Österreich gibt jedes Jahr rund zwölf Milliarden Euro für den Import von – fossiler – Energie aus. Es wäre volkswirtschaftlich klug, dieses Geld in heimische Stromproduktion aus erneuerbaren Energieträgern zu investieren. Für die Energiewende ist aber auch Energieeffizienz sehr wichtig. Dazu trägt die Ökodesignrichtlinie sehr gut bei, die spezifisch auf Produkte zugeschnitten ist. Auf der Ebene abgrenzbarer Produkten kann man sehr klare Vorschriften definieren, was dieses Produkt, zum Beispiel ein Motor oder ein Kühlschrank, können muss, um weniger Energie zu verbrauchen. Aber sobald man sich auf der Ebene komplexer Energiesysteme bewegt, lässt sich diese klare Abgrenzung nicht mehr ziehen. Dann benötigt man andere Instrumente, wie zum Beispiel das Energieeffizienzgesetz. Auf Systemebene besteht sicher noch Verbesserungspotenzial.

Welche Potenziale meinen Sie und wie könnte man diese besser nutzen?

Die größten Verbesserungspotenziale liegen zum einen in jener Energie, die nicht verbraucht wird, zum anderen in jener Energie, die zum richtigen Zeitpunkt verbraucht wird. Großes Potenzial liegt also noch darin, dass man Energieverbrauch und Energieangebot zeitlich besser aufeinander abstimmt, also etwa das E-Auto dann lädt, wenn Wind weht und Strom im Überfluss vorhanden ist. Die technologische Voraussetzung dafür sind unter anderem Smart Grids.

Darüber hinaus gibt es viele weitere Möglichkeiten, die manchmal trivial erscheinen. Zum Beispiel kann man mit intelligenter Gebäudesteuerung viel erreichen – durch automatisches Lichtabschalten etwa. Aufzüge lassen sich recht einfach mit einer Energierückgewinnung ausstatten. Im Produktionsbereich kann man energieeffiziente Motoren, Pumpen oder Antriebe einsetzen oder ganze Systeme mit IKT-Unterstützung optimieren. Meist sind die Amortisationszeiten für solche Investitionen sehr kurz.

Was hemmt die Entwicklung?

Zum einen fehlt der große systemische Ansatz, zum anderen Anreizsysteme und Spielregeln, die in viele Bereiche hineinwirken. Zwei Beispiele: Ein Betrieb schafft einen neuen Motor an. Der Einkauf möchte einen im Anschaffungspreis möglichst günstigen Motor, der Betriebsleiter einen im operativen Betrieb günstigen Motor. Zwei Kostenstellen, zwei unterschiedliche Interessen. Oder Immobilienverwaltungen: Derzeit werden Hausverwaltungskosten anteilsmäßig an den Gebäudekosten berechnet. Der Verwalter hat somit gar keine Motivation, für geringe Energiekosten zu sorgen. Solche Fälle sind mit der Ökodesignrichtlinie nicht in den Griff zu bekommen.

Wie wird das Thema Energieeffizienz in der Elektro- und Elektronikindustrie betrachtet?

Gerade die größeren Unternehmen unserer Branche haben das Anliegen, sich als Vorzeigeunternehmen zu präsentieren. So hat beispielsweise ein führender Halbleiterhersteller vor einiger Zeit ein neues, extrem energieeffizientes Fabrikgebäude eröffnet. Das Unternehmen verbraucht in der Produktion viel Energie und hat in der Firmenkultur hohes Bewusstsein für Energieeffizienz etabliert. Gleichzeitig baut es Chips, die für energieeffiziente Anwendungen eingesetzt werden. Grundsätzlich gehören unsere Unternehmen nicht zu den großen Energieverbrauchern. Die Bedeutung der Energieeffizienz liegt für die Elektro- und Elektronikindustrie deshalb vor allem in der Möglichkeit, sich als Technologieanbieter zu positionieren.

Energieeffizienz ist also auch Wettbewerbsvorteil?

Durchaus, wobei engmaschigere Überprüfungen und weniger Spielraum innerhalb einer Effizienzkategorie helfen könnten, weitere Effizienzpotenziale zu heben und um Qualitätsprodukte entsprechend sichtbar zu machen. Produkte aus Österreich sind in der Regel sehr energieeffizient. Seien es nun Motoren, Steuerungen für Smart Grids oder Windkraftwerke, LED oder Leistungshalbleiter – da bietet unsere Industrie viele hochwertige Lösungen an. Unsere Unternehmen haben Kompetenzen in Technologien entwickelt, weil diese gesetzlich gefordert wurden. Diese Kompetenzen kann das Unternehmen in Produkte einbringen und exportieren. Dies ist ein wichtiger Aspekt. Ein österreichisches Technologieunternehmen kann nie nur für den Heimmarkt produzieren. Der Heimmarkt ist wichtig, um technologisch zu lernen. Hier spielen Forschungsförderungen eine strategisch wichtige Rolle. Ein weiteres Beispiel sind Modellregionen, wie sie es für Smart Grids u.a. in Salzburg oder Oberösterreich gibt.

Die österreichische Elektronikproduktion wächst. Ist das auch eine Konsequenz der Klimawende?

Bei Unternehmen die energieeffiziente Chips herstellen gibt es einen direkten Zusammenhang. Im Allgemeinen ist das nicht so eindeutig. Nehmen wir das Beispiel LED. Wir haben in Österreich viele Zulieferer für die Automobilindustrie aus dem Elektro- und Elektronikbereich, speziell was LED-Leuchten betrifft. In etlichen Oberklasseautos sind Front- und Rücklichter aus Österreich  verbaut. LED-Leuchten bieten eine Reihe von Vorteilen, einer davon ist die Energieeffizienz. Ebenso sind Regelungs-, Steuerungstechnik und Sensorik der Schlüssel für Energieeinsparungen. Es gibt viele Technologien der Elektro- und Elektronikindustrie – von Smart Home über E-Mobilität bis hin effizienterer Energieerzeugung  –, die zu mehr Energieeffizienz führen. So gesehen ist diese auch ein indirekter Treiber für den heimischen Produktionsstandort. Wesentlicher Grund für die erfolgreiche Elektronikproduktion sind jedoch kluge Strategien der Führungskräfte in der Industrie, die den heimischen Standort entwickeln wollen, weitsichtige Forschungsförderung und ganz besonders: Gute Mitarbeiter.

Quelle: technikreport

Über Klaus Bernhardt

Bernhardt sammelte nach seinem Studium der Technischen Physik Industrieerfahrung bei den Unternehmen Frequentis und Ericsson Austria AG. Danach führte ihn seine berufliche Laufbahn in das Büro für Internationale Forschungs- und Technologiekooperation (heute FFG), wo er den Bereich IKT leitete. Seit 2004 ist er im FEEI tätig.

Über den Fachkongress

Am 17. November 2016 veranstalten die Fachmagazine technik Report und elektronik Report unter dem Titel „Energieeffizienz als Wettbewerbsvorteil – welche Lösungen rechnen sich für das produzierende Gewerbe?“ in Wien einen Fachkongress mit begleitender Ausstellung.

Auf dem Fachkongress für Energieeffizienz in der Industrie informieren Hersteller von Technologien über die Möglichkeiten von energieeffizienten Systemlösungen, sowohl für KMUs als auch Großkonzerne. Die Teilnehmer erfahren Wissenswertes über Einsatzmöglichkeiten und Einsparungspotenziale. Erfolgreiche Case Studies und Möglichkeiten sollen zeigen, wie Produktivität und Energieeffizienz Hand in Hand gehen können und das eigene Unternehmen damit entscheidende Wettbewerbsvorteile erzielen kann.

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