Mit dem Begriff Energiewende wird in der allgemeinen Diskussion oft nur die Erzeugung von erneuerbarem Strom durch Photovoltaik- und Windkraftanlagen verbunden. Die Energiewende bedeutet aber den möglichst vollständigen Umstieg der Energieversorgung von fossilen auf erneuerbare Energiequellen und umfasst die Sektoren Strom, Wärme, Mobilität und Industrie. Elemente der angestrebten Wende sind der Ausbau der erneuerbaren Erzeugungsanlagen, Energiespeicher, die Steigerung der Energieeffizienz und Energieeinsparmaßnahmen.
Folgende Ziele verfolgt die Energiewende:
- Reduktion des CO2-Ausstoßes durch Verbrennung fossiler Energieträger und Beitrag zur Einhaltung des globalen 1,5 °C-Zieles zur Eindämmung der Klimaerwärmung
- Erhöhung des nationalen Selbstversorgungsgrades durch Nutzung erneuerbarer Energiequellen
- Erhöhung der regionalen Wertschöpfung durch Nutzung lokaler Ressourcen
Energiewende als Wirtschaftsfaktor
Der Ausbau der erneuerbaren Erzeugungsanlagen und Investitionen in die Energieeffizienz haben positive gesamtwirtschaftliche Effekte. Durch gesteigerte nationale Wertschöpfung anstelle von Energieimporten werden zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Das Erreichen der ambitionierten Ziele ist nur mit Innovationen und Kooperationen zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen möglich, die erzielte Wirkung ist über viele weitere Bereiche hinweg ein wirtschaftstreibender Faktor.
Die positiven Effekte für den Wirtschaftsstandort sind:
- Die Nutzung heimischer Energiequellen hat neben ihrer Bedeutung für Klima und Umwelt eine ökonomische Relevanz für den Wirtschaftsstandort Österreich.
- Der Umbau der Energiewirtschaft ist mit einer Revitalisierung ländlicher Regionen verbunden.
- In Österreich bestehen derzeit über 37.000 Arbeitsplätze im Bereich erneuerbare Energie, laut der Studie des IWI sichert der produzierende Bereich in der Umwelt- und Energie-technologiebranche zukünftig sogar an die 60.000 Arbeitsplätze.
- Die sogenannte Green Economy ist herausragend innovativ. Österreichische Forschungsinstitute und Unternehmen dieser Branche melden jährlich rund 200 Patente beim Europäischen Patentamt (EPO) an.
Sektorkopplung
Die gemeinsame Betrachtung und Optimierung der Sektoren Elektrizität, Wärme, Mobilität und industrielle Prozesse bietet die Chance, durch Nutzung von Synergien im Energieeinsatz oder neuen Lösungsansätzen, wie z.B. die Verwendung synthetischer Kraftstoffe, fossile Energie sinnvoll zu ersetzen. Die so gekoppelten Energiesysteme werden als ‚Hybridnetze‘ bezeichnet. Neben den technologischen Entwicklungen gibt es noch weitere Herausforderungen für die Kopplung der Sektoren:
- Die vermehrte Nutzung von Strom muss tatsächlich CO2-Emissionen reduzieren.
- Die notwendigen Infrastrukturen müssen teilweise noch errichtet und weiterentwickelt werden.
- Die gesetzlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen, Umlagen und Abgaben müssen angepasst werden.
- Die gesellschaftliche Akzeptanz neuer Lösungswege ist Voraussetzung für das Gelingen.
Stromwende
Die Ziele und der Wille zur Energiewende wurden von Seiten der Politik formuliert
- global durch die Klimakonferenzen z.B. in Kyoto 1997, Paris 2015 und
- auf europäischer Ebene z.B. durch die 20-20-20 Ziele, das Klima- und Energiepaket 2009, oder die Energieeffizienzrichtlinie. Wesentlich ist der unverbindliche aber richtungsweisende Ministerrats-Beschluss, bis 2050 europaweit 80-95 % weniger CO2 zu emittieren.
- In Österreich werden die Rahmenbedingungen in den Gesetzen und Richtlinien angepasst.
In Österreich werden vor allem Wasserkraft, Wind- und Sonnenenergie sowie Biomasse genutzt. Die Energiewende führt dazu, dass Strom in den kommenden Jahren zur wichtigsten Energieform wird.
Durch die vermehrte Substitution von fossiler Energie durch Strom für Wärme, Mobilität und in der Industrie werden die Importabhängigkeit reduziert, die Energieeffizienz und die Versorgungssicherheit erhöht sowie die CO2-Emissionen reduziert. Dabei müssen die Versorgungszuverlässigkeit und die Netzqualität auch weiterhin sichergestellt werden.
Um die Herausforderungen der volatilen, dezentralen Einspeisung nach dem NOVA-Prinzip (Netzoptimierung vor Netzausbau) auch in der Niederspannungsebene zu beherrschen, sind unter anderem folgende Maßnahmen durchzuführen:
- Einführung verursachergerechter dynamischer Netztarife mit Leistungspreiskomponente
- Modernisierung, Automatisierung und Digitalisierung der Stromnetze
- Flexibilisierung von Angebot und Nachfrage in Kombination mit Speichern
Wärmewende
Die Wärmewende verfolgt zwei aufeinander aufbauende Ziele. Zur Reduktion des Energieverbrauchs im Gebäudesektor ist neben der Umsetzung von Niedrigenergie- und Passivhausstandards im Neubau eine flächendeckende thermisch-energetische Sanierung des Gebäudebestandes durchzuführen. Der verbleibende Energiebedarf soll ohne fossile Brennstoffe gedeckt werden:
- Einsatz erneuerbarer Brennstoffe wie z. B. Biomasse und Biogas zur idealerweise kombinierten Strom- und Wärmeerzeugung
- Bereitstellung von Wärme durch solarthermische Anlagen in Verbindung mit Wärmespeichern
- Erzeugung von Niedertemperaturwärme durch elektrisch betriebene Kompressions-wärmepumpen oder thermisch betriebene Ad-/Absorptionswärmepumpen
- Nutzung von Stromdirektheizungen bei Überangebot aus erneuerbarer Erzeugung
- Nutzung von Abwärme aus industriellen Prozessen
Mobilitätswende
Als größter Energieverbraucher und zweitgrößter Treibhausgasemittent in Österreich muss der Verkehrssektor einen bedeutenden Beitrag zur Dekarbonisierung liefern. Elektromotoren sind effizienter als Verbrennungsmotoren. Wird der Strom aus erneuerbaren Energiequellen produziert, ist Mobilität nahezu ohne Schadstoffemissionen möglich. Elektromobilität kann durch Nutzung als flexibler Speicher überdies eine wichtige Rolle im intelligenten Stromsystem der Zukunft einnehmen. Damit muss Mobilität in Zukunft folgende Aspekte berücksichtigen:
- Elektromobilität als Teil eines Gesamtenergiesystems in Form von flexiblen Speichern
- eingebettet in ein intelligentes und intermodales Gesamtverkehrssystem aus der Kombination von elektrisch betriebenen öffentlichen Verkehrsmitteln (Bahn, Bus) und umweltfreundlichen Fahrzeugen im Individualverkehr.
Bis zum Jahr 2050 will Österreich einen weitgehend CO2-neutralen Verkehrssektor erreichen.
Emissionsfreie industrielle Prozesse
Durch eine Umstellung von energieintensiven Industrieprozessen können diese zukünftig für einen höheren Anteil fluktuierender Stromerzeugung optimiert werden. Dafür müssen Prozesse aber nach anderen Grundsätzen konzipiert werden als bisher üblich und die Technologien für die industriellen Schlüsselprozesse angepasst werden:
- Flexibilisierung sogenannter Stapel-Prozesse (z. B. Befüllen und Entladen von Behältern)
- Überdimensionierung von Anlagen, um auf volatiles Stromangebot zu reagieren
- Einführung von Pufferkapazitäten wie z.B. Produktspeicher
- Prozesswärme durch erneuerbare Energieträger erzeugen, z.B. mit Power-to-Heat Technologien
- Nutzung von Prozess-Abwärme zur Stromerzeugung, für Prozesse auf geringerem Temperaturniveau und zu Heizzwecken
- Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse aus erneuerbaren Energiequellen
Hiermit soll der Energieverbrauch in die Zeiten hohen Stromangebotes verlagert werden, um die Stromnetze zu entlasten und erneuerbare Energie optimal zu nutzen. Neben der energieintensiven Prozessindustrie bietet auch die Fertigungsindustrie Potenziale zur Nutzung der schwankenden Stromerzeugung. Neue Produktionskonzepte müssen die gesamten Wertschöpfungsketten berücksichtigen. Zusätzlich sind auch die Produktionsmittel energetisch zu optimieren (z.B. energieeffiziente Motoren und deren Steuerung).