Warum ist Re-Use ein zweischneidiges Schwert?
Für die Hersteller von Produkten bedeuten die Vorgaben für Reparaturfähigkeit weitreichende Eingriffe ins Produktdesign und Überregulierung, kritisieren Hersteller. Systembetreiber sehen in der EU Kreislaufinitiativem die Chance für einheitliche, hohe Verwertungsvorgaben, warnen aber vor überzogenen Re-Use-Ambitionen, um Sekundärrohstoffe nicht zu verlieren.
Die EU möchte mit dem Kreislaufwirtschaftspaket die Entstehung von Abfall minimieren, indem Ressourcen effizienter genutzt werden. Von der Herstellung bis zur Entsorgung sollen alle Akteure in die Pflicht genommen werden. Wie sieht die Industrie und ein Sammelsystem wie das UFH diese Initiative?
Mitsch: Prinzipiell sehe ich die Initiative positiv, weil es unser gemeinsames Ziel sein muss, den Materialkreislauf noch enger zu schließen. Faktum ist, dass immer noch ein großer Teil des Elektroschrotts illegal, das heißt umweltschädlich, entsorgt wird. Hier ist noch viel zu tun.
Müllner: Die Hausgeräteindustrie arbeitet an innovativen Lösungen, ihre Produkte ohne gefährliche Stoffe herzustellen sowie Recyclingverfahren und die Verwendung von Sekundärrohstoffen zu erleichtern. So wie der Aktionsplan der EU formuliert ist, fokussiert er starr auf umweltgerechte Gestaltung und behindert damit Innovationen. Hersteller müssen die Freiheit haben, selbst zu entscheiden, wie sie ihre Produkte gestalten.
Die EU möchte durch eine höhere Reparaturfähigkeit von Elektrogeräten die Wiederverwendung (Re-Use) steigern, um so Ressourcen zu sparen. Hersteller befürchten eine unverhältnismäßige Überregulierung.
Mitsch: Prinzipiell ist nichts dagegen einzuwenden, dass man Dinge repariert und wiederverwendet – aber mit Augenmaß. Das Problem von Re-Use wird deutlich, wenn man sich abseits der oft ideologisch geführten Diskussion die Details ansieht. Es muss klar gesagt werden, dass Elektroschrott per se nichts Schlechtes ist – tatsächlich können tonnenweise Sekundärrohstoffe aus Elektroaltgeräten gewonnen werden, die Primärrohstoffe ersetzen. Eine Prognos-Studie schätzt zum Beispiel, dass in den Handys, die in Europa verkauft werden, 586 Tonnen Kupfer und 140 Tonnen Gold stecken. Der Müll ist also unsere größte Ressource. Mit überzogenen Re-Use-Ambitionen läuft man Gefahr, dass Sekundärrohstoffe verloren gehen.
Müllner: Eingriffe ins Produktdesign der Hersteller gehen zu weit. Qualitätshersteller entwickeln ihre Geräte ohnehin unter der Prämisse, den Materialeinsatz möglichst optimal zu gestalten. Eine Überregulierung schränkt definitiv den unternehmerischen Handlungsspielraum ein. Aus Industriesicht lehnen wir nationale Vorschriften zur Produktgestaltung ab, da sich daraus Handelsschranken ergeben.
Wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf für die EU?
Müllner: Viel wichtiger als Vorschriften für Reparaturfähigkeit ist, dass zum einen alle Akteure in die Pflicht genommen werden und zum anderen Altgeräte zur Gänze und umweltgerecht entsorgt werden. Es braucht einheitliche Quoten und Standards. Österreich hat bereits eine sehr umfassende und strenge Abfallbehandlungspflichtenverordnung und nimmt damit eine Vorreiterrolle in der EU ein.
Wie sieht eine optimale Abfallvermeidung aus Ihrer Sicht aus?
Mitsch: Angesichts der zig Tonnen illegal entsorgten Schrotts ist Abfallvermeidung dann am effektivsten, wenn die Geräte möglichst umfassend wiederverwertet werden und wir dadurch die Rohstoffe unserer Erde schützen. Das Problem ist nicht der Abfall selbst, sondern die nicht in den Kreislauf zurückgeführten Geräte. Und damit ebenjene Sekundärrohstoffe, die nicht der Wiederverwendung zugeführt werden können.