Digitalisierung der Bildung

Lebenslanges Lernen als Schlüssel

Die zunehmende Digitalisierung stellt Ausbildungsstätten vor neue Herausforderungen – dabei geht es nicht nur um fachliche Qualifikationen, sondern vor allem um überfachliche Kompetenzen und um Interesse an lebenslangem Lernen.

Wer über Herausforderungen durch Digitalisierung und die damit einhergehende Automatisierung nachdenkt, kommt nicht umhin, auch über sich ständig verändernde Anforderungen und entsprechende Bildungsmaßnahmen nachzudenken. Gefragt sind neben fachlichen Qualifikationen auch überfachliche Kompetenzen, die schon sehr früh gefördert werden können und sollten. Laut einer Studie unter der Leitung der FH St. Pölten, die sich mit den Auswirkungen von Industrie-4.0-relevanten Qualifikationsanforderungen auf die Bildungslandschaft beschäftigt, sollen vor allem Interdisziplinarität, lebenslanges Lernen, Durchlässigkeit, fachbereichsübergreifende Wissensvermittlung und interkulturelle Kompetenzen künftig stärker gefördert werden. „Absolventinnen und Absolventen sollen flexibel auf komplexe Gegebenheiten reagieren können und lernen, in inter- und intraorganisatorischen Teams zu arbeiten. Dazu braucht es in der Ausbildung Kompetenzorientierung, innovatives Denken sowie neue Lernorte, Lernwege und didaktische Methoden“, erklärt Franz Fidler, Leiter des dualen Studiums Smart Engineering an der FH St. Pölten und Co-Autor der Studie.

Früh übt sich ...

Die Ausbildung von überfachlichen Kompetenzen sollte allerdings nicht erst im Hochschulsektor beginnen, wie Hermann Studnitzka, Senior Expert der Aus- und Weiterbildung bei einem großen Automatisierungstechnikunternehmen, festhält: „Kompetenzbildung fängt nicht erst an, wenn jemand eine Berufsausbildung beginnt. Im Wesentlichen muss im Kindergarten damit begonnen werden, gewisse Sozial- und Methodenkompetenzen zu vermitteln. Im Volksschulalter und in der Sekundarstufe I ist es wichtig, Lust zu machen, mit neuen Dingen umzugehen.“ Neben einer Nähe zur IT sind vor allem auch Teamfähigkeit und Kommunikationsfähigkeit gefragt – Kompetenzen wie diese werden allerdings bei weitem nicht nur im Bereich der Industrie gefordert. „Wirklich neu ist das Zusammenspiel von Informationstechnologie und klassischen Technologien – das betrifft aber nicht nur den Techniker oder den Fachmann. Jeder wird in seinem Umfeld mit dieser Kombination in irgendeiner Form konfrontiert, daher braucht es diese Kompetenz, mit neuen Dingen umzugehen“, so Studnitzka weiter. Dementsprechend brauche es sehr früh Ansätze, um Kinder gemäß ihren Interessen zu fördern und interdisziplinär zu arbeiten. Die Lust, sich mit naturwissenschaftlichen Phänomenen auseinanderzusetzen, kann beispielsweise durch Ansätze aus der Bionik nähergebracht werden, denn gerade junge Menschen entwickeln durch das Entschlüsseln von Geheimnissen der Natur Begeisterung für Technik und Naturwissenschaften.

Bildung muss digital werden

Neben Bildungsansätzen, die Schüler, Studierende und Auszubildende auf die zunehmende Digitalisierung vorbereiten, braucht es aber auch eine Veränderung in der Vermittlung der Inhalte. „Es kommt sicher zu einer veränderten Form der Lehre. Der Lehrer selbst wird nicht nur Wissensvermittler sein, er wird zum Lerncoach. Es braucht eine Form, die es erlaubt, dem Kind durch die gegebene digitale Unterstützung seinen ganz individuellen Pfad zu zeigen und das Kind anzuregen, selbst sein Lerntempo und seine Art des Lernens zu bestimmen“, erklärt Studnitzka. Zudem können Lernlabors schon in der Schule dazu anregen, mit neuen Technologien zu experimentieren, Schulcluster können im Bereich der berufsbildenden Schulen dabei helfen, interdisziplinär zu arbeiten und technisches Wissen mit wirtschaftlichem Fachwissen zu verknüpfen.

Lernen unter realen Bedingungen

Im Bereich der Hochschulen ist laut Studienergebnis der FH St. Pölten vor allem eine engere Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Universitäten und Fachhochschulen nötig, um den sich laufend verändernden Anforderungen gerecht zu werden. Das bestätigt auch Studnitzka: „Wenn man in der Industrie fragt, wie lange ein Industrieunternehmen braucht, um einen akademischen Techniker tatsächlich im Tagesgeschäft einsetzen zu können, und die Unternehmen sagen im Durchschnitt, sie brauchen ein Jahr, dann läuft etwas falsch.“ Eine Möglichkeit, Studierende näher an der Praxis auszubilden, bieten die aktuell stark forcierten Lernfabriken. In der Pilotfabrik der TU Wien in der Seestadt Aspern wird nicht nur an echten Maschinen in einem realgetreuen Umfeld gearbeitet, auch die gefertigten Produkte – im ersten Schritt Bauteile von 3D-Druckern – sollen tatsächlich verwendet werden. „In der Pilotfabrik versuchen wir, einen Produktionsprozess gesamtheitlich zu simulieren, indem angefangen von der Produktentwicklung über die Fertigung bis hin zur Montage ein gesamter Wertschöpfungsprozess abgebildet wird. Damit bieten wir den Auszubildenden ein möglichst praxisrelevantes Szenario“, so Friedrich Bleicher, Vorstand des Instituts für Fertigungstechnik und Hochleistungslasertechnik der TU Wien.

Ein ähnliches Projekt wie in Aspern ist nun auch an der JKU in Linz geplant: Das Linz Institute of Technology (LIT) wird um das Open Innovation Center sowie eine eigene Industrie-4.0-Pilotfabrik ergänzt, Mitte April erfolgte der Spatenstich, bis 2019 sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. Mit dem Chemiekonzern Borealis und dem Spritzgießmaschinenbauer Engel will man dort künftig an einem faserverstärkten Leichtbauteil für den Autoriesen Audi tüfteln.

Innovative Bildungsmaßnahmen sind natürlich nicht nur ein Thema für Berufseinsteiger: Angesichts der demografischen Entwicklung müssen sich Arbeitgeber wie Beschäftigte auf ein längeres Verbleiben älterer Mitarbeiter im Unternehmen einstellen. In Zeiten des digitalen Wandels setzt das sowohl die Bereitschaft zur Fortbildung bei den älteren Beschäftigten als auch mehr Investitionen in Weiterbildung und Qualifikation durch Unternehmen voraus.

Mag. Katharina Holzinger

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