Weil wir nicht sieben Erden haben!

Club of Rome Co-Präsident Ernst Ulrich von Weizsäcker über die Rettung der Welt

Club of Rome Co-Präsident Ernst Ulrich von Weizsäcker über die Rettung der Welt
Club of Rome Co-Präsident Ernst Ulrich von Weizsäcker über die Rettung der Welt

Es war der Moment, in dem die Gäste der Gala zum 100-jährigen Jubiläum des FEEI erschraken, erstaunten, ins Grübeln gerieten: Bei seiner Keynote im Juni 2014 zeigte Ernst Ulrich von Weizsäcker eine Folie, darauf unser blauer Planet – siebenmal! Nicht von ungefähr drehte die Erde den Festgästen ihr nordamerikanisches Antlitz zu. Würde die gesamte Welt Energie so nutzen wie Nordamerika, brauchte es tatsächlich zusätzliche sechs Erdbälle: für die Gewinnung von fossilen Brennstoffen als Treibstoff der Autos; für das Futter der Rinder, die zu saftigen Steaks werden sollen; für die Infrastruktur einer urban arbeitenden, aber suburban wohnenden Gesellschaft. Mehr noch: Das Vorhandensein von High-Tech-Gütern unserer Welt intensiviert deren Nutzung. Dies wiederum erhöht den Energieverbrauch.

Wohin eilst Du, Welt?

Das Phänomen, wonach das Vorhandensein energieeffizienter Technologien den Energiebedarf steigert, ist nicht einmal neu. Es geht auf einen Effekt zurück, den der Ökonom William Stanley Jevons 1865 beobachtete und der bis zur Einführung des Terminus „Rebound-Effekt“ als „Jevons-Paradoxon“ bekannt war: Jevons erkannte, dass der Kohleverbrauch dramatisch in die Höhe schoss, nachdem James Watt seine höchst effiziente Dampfmaschine vorgestellt hatte. Ein Vorgängermodell des Engländers Thomas Newcomen hatte viel mehr Energie verbraucht. Aber erst die Erfindung des Schotten Watt ließ die Nachfrage steigen. Fortan waren Dampfmaschinen die zischenden Treiber des industriellen Fortschritts – mit allen bekannten Nebeneffekten. 

Aber auch heute ist die Welt reich an Rebound-Effekten: Weil unsere Computer immer leistungsfähiger werden, packen wir sie mit aufwändiger Software, Spielen und Apps voll. Dies wiederum erhöht den Energieverbrauch. Da eine flächendeckende Ausstattungmit Computern ein Indikator für Fortschritt und Wohlstand ist, stehen sie gleichsam für eine weitere Wahrheit: Je größer der Wohlstand, desto höher der Energiebedarf. Von Weizsäcker zeigt dies mit einer Grafik, die uns Mitteleuropäer in die Nähe der Superverbraucher Kuwait, USA, Australien und Kanada bringt. Wenig Verbrauch hingegen fällt in afrikanischen Ländern an, Neutralität – also die Balance zwischen zur Verfügung stehenden Flächen und Bedarf an Ressourcen – gibt es hingegen nur auf Kuba.

CO2 Fußabdruck ist die sinnige Bezeichnung für das Verhältnis zwischen Soll und Haben der Energienutzung. Kuba mag schreiten – wir sind die Herde, die da trampelt. Nicht genug damit: Das Klima benimmt sich nicht mehr, wie es soll. Zurzeit werde die Wärme der Atmosphäre vor allem in den Weltmeeren gespeichert, erklärt von Weizsäcker. Das Eis – etwa der mächtige Inlandeisschild Grönlands – schmelze dahin. Schmilzt das Eis, steigt das Wasser: Plus sieben Meter kann das für die
Weltmeere bedeuten.

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Und Klimapolitiker spielen Mikado 

Nur nicht rühren! Die Weltklimagipfel haben seit Kopenhagen 2009 keine Bewegung mehr in die Klimapolitik gebracht. Wer sich zuerst bewegt, hat verloren. Die Politik – ein Gewirr aus Mikado-Stäbchen? Dabei gäbe es Lösungen! Was aber, wenn eine Politik den vielbeachteten – viele Kilometer generierenden und Ressourcen verschlingenden – Weg eines Erdbeerjoghurts begünstigt oder wahre Wasserfluten, die für die Produktion von Jeans notwendig sind? 

Weizsäcker fordert: Damit wir energieeffizient und CO2-sparend leben können, bedürfe es einer Entkoppelung der Wirtschaftsleistung vom Energieverbrauch. Doch sinkt damit der Wohlstand? Und welche Technologien stehen zur Verfügung, um statt papierener Beschlüsse eine echte Klimaverbesserung zu erzielen? Lösungen sind da, wenn wir sie wollen Erneuerbare Energien seien eine Lösung,doch – warnt von Weizsäcker – müssten diese maßvoll eingesetzt werden. Windräder auf jedem Hügel oder flugzeugfeldgroße Photovoltaik-Anlagen seien keine Lösung. 

Der Schluss liegt in der Ressourceneffizienz, denn sie bedeutet Energieeffizienz! Autos, die nur 1 Liter Sprit pro 100 Kilometer verbrauchen, sind bereits entwickelt. Passivhäuser haben den 10-fachen Energieeffizienz-Faktor von herkömmlich isolierten Häusern. Hierzu gehört auch die Wärmerückgewinnung oder – wie von dem Schweizer Josef Jenni bereits erfunden – die Speicherung der Energie des Sommers für den kalten Winter mittels einer Batterie. LEDs verbrauchen einen Bruchteil des Stroms herkömmlicher Glühbirnen. 

Und sonst? Wie oft müssen wir tatsächlich Rindersteaks essen? Eine Korrektur des Konsumverhaltens – Obst und Gemüse aus der nächsten Umgebung – macht nicht weniger reich, sondern energiebewusst. Und Genügsamkeit macht sogar glücklich. Betrachtet man die Geschichte der industriellen Revolution bis heute, sieht man anhand der sogenannten Kondratieff-Zyklen folgende Entwicklungsphasen: Mechanisierung; Stahl und Eisenbahn; Elektrizität; Chemie; Auto; TV; Flugzeug; Computer; IT und Biotechnologie. Die letzte Phase endet in der Jetztzeit.

Doch was bringt die Zukunft? Ein optimistischer Ernst Ulrich von Weizsäcker zeichnet seine Vision von der gesteigerten Ressourcenproduktivität, ergänzt durch erneuerbare Energie. Ein besseres Klima, ein gesünderes Zusammenleben, ein sinnvolleres Nutzen dessen, was uns zur Verfügung steht: auf nur einem Planeten – unserer Erde.

FEEI: Die Elektro- und Elektronikindustrie ist Heilsbringer und Beelzebub zugleich: Durch innovative Technologien sparen wir Energie, doch gleichzeitig verbrauchen Geräte immer mehr davon. Wenn Sie denn sprichwörtlich einen Tag die Welt regieren könnten – welche Aufgabe würden Sie der Elektro- und Elektronikindustrie zuweisen?

EUW: Die Aufgabe, 5% des Umsatzes in Forschung und Entwicklung zu stecken mit Schwerpunkt Energieeffizienz und Geräteleasing mit Wartungsverträgen zu fördern. Ich würde ein Steuerungsverfahren zur optimierten Nutzung wetterunabhängiger, erneuerbarer Energien anordnen. Weiters würde ich verlangen, dass internationale Normsetzungen à la Elektro- & Elektronik-Altgeräteverordnung unterstützt werden. Das Ziel wäre dabei Remanufacturing.

FEEI: Wie kann die Elektro- und Elektronikindustrie ihre Kunden beziehungsweise Nutzer dazu bringen, verantwortungsvoll mit Ressourcen umzugehen?

EUW: Das schafft sie durch Aufklärung, durch verlässliche Labels sowie Preis- und Wartungsvorteile für effiziente Geräte.

FEEI: Welcher politischen Rahmenbedingungen bedarf es zur Gesundung des einzigen Planeten, den wir haben? Wir meinen die reichen Industrienationen, zu denen Österreich gehört.

EUW: Das Wichtigste wäre ein möglichst EU-weit zu vereinbarender, aufwärts gerichteter Preiskorridor für den Verbrauch von Strom, Wasser und Mineralien. Dadurch würde es vorhersehbar immer rentabler, Recycling und Strom sowie Wassereffizienz zu steigern.

Ernst Ulrich von Weizsäcker

  • geb. 1939 in Zürich
  • ist Naturwissenschaftler (Chemie und Physik)
  • leitete er unter anderem das UNO Zentrum für Wissenschaft und Technologie in New York
  • leitete das Institut für Europäische Umweltpolitik und das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie
  • 1998 bis 2005 saß er im Deutschen Bundestag (SPD)
  • seit 2012 ist er Co-Präsident des Club of Rome 
  • In seinem Buch „Faktor 5“ (2009) stellt Weizsäcker eine Formel für umweltschonendes Wirtschaften vor

Club of Rome

  • gegründet 1968
  • ist ein internationaler, unabhängiger Think Tank
  • Sitz im Schweizer Winterthur
  • Das Buch „Die Grenzen des Wachstums“ brachte dem Club of Rome 1972 internationale Beachtung
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