Einmal ultraschnelles Internet, bitte!

IKT im Alltag
IKT im Alltag

24.000.000 Terabyte – das entspricht in etwa 7,8 Milliarden Stunden Videomaterial. Diese Datenmenge wird dem US-Internetsender Netflix, der vor allem durch die Weiße-Haus-Satire „House of Cards“ bekannt geworden ist, allein im letzten Quartal 2014 zugerechnet. In Spitzenzeiten ist Netflix laut Experten für ein Drittel des gesamten DownstreamVolumens in den USA verantwortlich. Der Anbieter aus Kalifornien, seit Herbst 2014 auch in Österreich tätig, soll hierzulande schon über 50.000 Nutzer haben. Der ORF hat nun mit einer eigenen Streamingplattform namens Flimmit reagiert, auf der etwa die neue Serie von Kultregisseur David Schalko, „Altes Geld“, exklusiv ausgestrahlt wurde.

Schauen, wann und wo man will, soviel man will – das zeit- und ortsunabhängige Fernsehen entwickelt sich auch in Österreich vom Nischen- zum Massenthema. Was Netflix groß gemacht hat, ist nun auch die Geschäftsgrundlage von europäischen On-Demand-Plattformen wie Maxdome, Chili oder Flimmit. Der seit Jahren wachsenden Beliebtheit des Internet-Videoportals Youtube tun diese neuen Mitbewerber keinen Abbruch, im Gegenteil.

Und weil immer mehr Videos in immer besserer Qualität zur Verfügung stehen, wollen immer mehr Konsumenten eine immer leistungsfähigere Internet-Infrastruktur. Laut einer Prognose des Technologieanbieters Cisco wird die Übertragung von Bewegtbildern zwei Drittel des weltweiten Datenaufkommens im Jahr 2015 ausmachen, laut anderen Schätzungen sind es derzeit sogar schon 90 %: YouTube, Netflix, & Co. sind damit einer der großen, wenn nicht der größte Treiber einer Internet-Entwicklung, die von Volumensverdopplung im Dreijahresrhythmus gekennzeichnet ist – stationär ebenso wie mobil.

 

 

Aber nicht nur für Private, auch für die Wirtschaft sind größere Bandbreiten das Um und Auf, um mit den rasanten Veränderungen der digitalen Gesellschaft Schritt zu halten. Was früher die Anbindung an die Autobahn und die Nähe zum Flughafen waren, ist jetzt die Verfügbarkeit von sicherem, schnellem und leistbarem Internet. Auch immer mehr Klein- und Mittelbetriebe verwenden Technologien, die Sprach- und Datenübertragung miteinander verbinden. Neben den Unternehmen setzen auch Ärzte, Krankenhäuser, ja sogar Universitäten und andere Bildungseinrichtungen in Zukunft verstärkt auf Teleanwendungen, also den Informationsaustausch mit Patienten oder Lernenden über das Internet. Die Möglichkeit zur Übertragung großer Daten in verschlüsselter Form ist für viele Betriebe und Organisationen deshalb ein entscheidender Standortfaktor geworden.

In dieser Situation gewinnt die Breitbandoffensive des Bundesministeriums für Verkehr, Infrastruktur und Technologie (bmvit) besondere Bedeutung. Bis 2020 soll Österreich nach den Vorstellungen von Minister Alois Stöger flächendeckend mit ultraschnellem Breitband-Internet von 100 Megabit pro Sekunde (MBit/s) versorgt sein. Derzeit beträgt das durchschnittliche Übertragungstempo rund zehn Mbit/s. Während die Städte bereits relativ gut versorgt sind, ist die Schlüsselfrage, ob und auf welche Weise es gelingt, auch ländliche Gegenden anzubinden. Denn nur wenn sie Zugang zu Breitbandinternet haben, können bestehende Arbeitsplätze gehalten und auch neue geschaffen werden. Für Betreiber rentiert sich der Rollout in unwegsame Gegenden aber meist nicht. In einer ersten Förderphase bis 2016 sollen deshalb 300 Millionen Euro ausgeschüttet werden. Die Ausschreibungen dafür werden im August 2015 starten. Telekomanbieter, Energieversorger, Technologielieferanten – alle scharren bereits in den Startlöchern.

Rückenwind für den Breitbandausbau

Hilfreich ist, dass es mittlerweile einen breiten gesellschaftlichen Konsens über die Dringlichkeit des geplanten Ausbaus gibt. Seit Jahren fordert der FEEI vehement leistungsfähiges Breitband als systemrelevante Infrastruktur für den Wirtschaftsstandort Österreich. „Ultraschnelle Datennetze sind eine Schlüsseltechnologie für Wachstum, Innovation und Beschäftigung“, betont Lothar Roitner, FEEI-Geschäftsführer, einmal mehr: „Der Ausbauplan des bmvit ist grundsätzlich zu begrüßen. Flächendeckende Bedarfserhebung und Technologieneutralität sind für uns als FEEI die Topkriterien für einen wirkungsvollen Breitbandausbau. Der unerwartet hohe Erlös der Versteigerung hätte allerdings die Möglichkeit geboten, nachhaltige Investitionsanreize zu setzen, etwa die von uns geforderten 200 Mio. Euro der IKT Forschung und Entwicklung zu widmen.“

„Schnelle Netze sind eine system- und standortrelevante Infrastruktur.“ 

Lothar Roitner, FEEI Geschäftsführer

Heute ist Breitband in den Köpfen der politischen Entscheidungsträger auf allen Ebenen angekommen. Johannes Gungl, Geschäftsführer der Regulierungsbehörde Rundfunk und Telekom Regulierungs GmbH (RTR): „Aus dem Dialog mit ihren Bürgern wissen inzwischen auch die Bürgermeister in kleinen Dörfern, dass Breitband ein absolutes Zukunftsthema ist.“ Bei der Aufschließung neuer Bau- und Wohngebiete ebenso wie bei Betriebsansiedlungen werde das ultraschnelle Internet nun von Beginn an mitgeplant. Damit rücke Breitband vom Rand ins Zentrum der Debatte, so der RTRChef: „Wir spüren viel Rückenwind.“ Im laufenden Jahr gibt es viele Details zu klären, von Verkabelungen über Grabungstechnologien und Bewilligungen bis zur Feinabstimmung zwischen Bund, Land und Betreibern. Als einer der heikelsten Punkte der ultraschnellen Offensive gilt jedoch, welche Technologie in welchem Ausmaß zum Zug kommt. Offiziell gilt Technologieneutralität. Doch während in den Ballungszentren die geplanten 100 Mbit/s kein Problem sein dürften, sind viele Haushalte in entlegenen Regionen derzeit nur über ein Kupferkabel der „alten Post“ mit dem World Wide Web verbunden, also über das klassische Festnetz.

Dieser Umstand, fürchten die alternativen Telekombetreiber, könnte den teilstaatlichen Ex-Monopolisten, die A1 Telekom Austria, bei der Fördervergabe bevorzugen: „Wenn festgeschrieben ist, dass 100 Mbit/s das Ziel für alle ist, dann kann man das nur mit Glasfaser im Festnetz erreichen“, meint Florian Schnurer, Geschäftsführer des Verbands der Alternativen Telekom-Netzbetreiber (VAT). Aus Sicht der Alternativen wäre es besser, in ländlichen Gegenden ein niedrigeres Ziel von 30 Mbit/s festzuschreiben. Diese Bandbreite kann man auch problemlos mit der Mobilfunktechnologie LTE erreichen, die derzeit österreichweit ausgerollt wird. „Gerade für entlegene Regionen wäre Mobilfunk die bessere Technologie“, plädiert Schnurer für ein Sowohl als auch: „Wir werden in Zukunft sicher beides brauchen.“ Zumindest was das Abrücken vom starren 100Mbit/s-Ziel betrifft, signalisiert Regulator Gungl Gesprächsbereitschaft: „Ob 100 Mbit/s überall sein müssen, wird die Frage sein. Ich denke, dass das kein Dogma sein soll. Wichtig ist der konkrete Bedarf der Kunden.“

 

Global gesehen wächst der mobile Datenverkehr dreimal schneller als der via Festnetz. 2018 werde laut Cisco Visual Networking Index erstmals mehr in mobilen oder kabellosen Netzen gesurft als in Festnetzen. Auch in Österreich spielt das mobile Internet sowohl für Privatkunden als auch für die Wirtschaft eine bedeutende Rolle. 2014 wurden rund 180 Millionen GB via Mobilfunk übertragen. „Mit der Vergabe der Digitalen Dividende I auf 800 MHz konnte mit dem Ausbau des LTE-Netzes begonnen werden. Um auch in Zukunft als Wirtschaftsstandort international konkurrenzfähig zu bleiben, muss die Frequenzvergabe der Digitalen Dividende II im 700 MHz-Band rasch abgewickelt werden“, fordert Margit Kropik vom Forum Mobilkommunikation (FMK). Ein Technologielieferant, der sein Geschäft vor allem mit Kupfer- und Glasfaserprodukten macht, beurteilt die Thematik logischerweise aus einer anderen Perspektive als die Mobilfunker. Mobilfunk sei natürlich eine Option zur Überbrückung von Versorgungslücken, auf leistungsfähige Festnetztechnologien würden Kunden nicht verzichten wollen. Das Überraschende dabei: Obwohl die – im Prinzip nach oben unlimitierte – Glasfaser immer näher an die Haushalte rückt, ist Kupfer längst nicht tot. In den Forschungslabors werden ständig neue Geschwindigkeitsrekorde aufgestellt. Mit der heute schon verfügbaren G.Fast-Technologie sind bis zu 500 Mbit/s möglich, die nächste Entwicklung ist schon in der Pipeline. Diese Innovationen machen den Breitbandausbau wirtschaftlicher: Denn Glasfaser bis in jeden einzelnen Haushalt auszurollen, das so genannte Fibre to the home (FTTH), wäre teuer. Daher gelten Kombinationen als sinnvolle Lösung. Im Bereich des kabelgebundenen Zugangs läuft die Debatte nicht mehr zwischen Kupfer oder Glasfaser“, so Experten, heute heißt es Kupfer und Glasfaser. Generell gilt dabei: je kürzer der Kupferanteil am Kabel, umso schneller wird das Internet.

Breitband? Aber schnell!

Österreich hat in den letzten Jahren im internationalen Vergleich verloren, was die Versorgung mit Breitbandinternet betrifft. In ländlichen Gegenden stehen Geschwindigkeiten über 30 Mbit/s nur 16 % der österreichischen Bevölkerung zur Verfügung, ergab eine Studie der Unternehmensberatung IHS Global Limited für die EU-Kommission. Im EU-weiten Vergleich liegt Österreich damit am 18. Platz, hinter dem EU-Durchschnitt. Tempo ist schon allein deshalb geboten, weil neben der schier grenzenlosen Video-on-Demand-Euphorie auch andere Anwendungen die Netze bald an ihre Kapazitätsgrenze bringen werden.

Viele dieser Applikationen der Zukunft sind in ihren Auswirkungen noch nicht einmal abschätzbar. Industrie 4.0, Telemedizin, das Internet der Dinge, Cloud Services und vernetzte Automobile sind nur die wichtigsten Überschriften für jene Bereiche, die den Austausch von immer größeren Datenmengen notwendig machen werden.

Niemand kann derzeit seriös voraussagen, welche Rolle etwa selbstfahrende Autos in fünf, zehn oder 50 Jahren im Gesamtverkehrssystem einnehmen werden. Google entwickelt ebenso wie Apple emsig selbstfahrende Gefährte, die großen Autokonzerne wie BMW, Mercedes, Nissan und Toyota arbeiten ihrerseits mit Hochdruck an immer ausgeklügelterer Vernetzung im Auto. Volvo will bis 2017 100 selbstfahrende Autos an Kunden in Göteborg übergeben.

Daimler-Konzernchef Dieter Zetsche geht davon aus, dass sich ab 2020 serienreife Fahrzeuge autonom auf Autobahnen bewegen werden. Nicht der Sprit-, sondern der Datenverbrauch wird das Charakteristikum diesesMobiles des 21. Jahrhunderts sein. Erste Schätzungen gehen beim „Google-Auto“ von bis zu 750 Mbit/s aus. Ebenso schwer ist exakt zu beziffern, welche Belastungen unter den Stichwörtern „Industrie 4.0“ und „Internet der Dinge“ auf die Netze zukommen. Ersteres beschreibt die Vision von autonom kommunizierenden Maschinen, zweiteres das digitale Universum, angefangen vom Kühlschrank, der aufgrund seines Füllstandes die aktuelle Einkaufsliste auf das Smartphone des Eigentümers sendet, bis hin zu intelligenten Kleidungsstücken. Das daraus resultierende Datenaufkommen wird unvorstellbar groß sein: Die Marktforscher von IDC veranschlagen die Menge an Daten, die im Jahr 2020 erstellt, vervielfältigt und konsumiert werden, auf 40 Zettabyte. Das ist 50 Mal so viel wie im Jahr 2010. Hinter einem Zettabyte stehen 21 Nullen. Das ist ein Vielfaches aller Sandkörner dieser Welt zusammengezählt.

Diese gigantischen Datenvolumina werden aber nur noch zu einem geringen Anteil auf stationären Festplatten liegen. Weit mehr als die Hälfte werden in der Cloud ausgelagert sein, also in entfernten Rechenzentren. Auch immer mehr private Anwender werden von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Laut Cisco-Prognose wird der globale Datenverkehr in der Cloud weltweit schon im Jahr 2018 6,5 Zettabyte ausmachen.

Es braucht nicht noch mehr gigantomanische Zahlen, um zu verstehen: Video-on-Demand-Hits wie „Altes Geld“, „House of Cards“ & Co. sind nur die Vorboten einer allgemeinen Entwicklung, die den zügigen Ausbau des ultraschnellen Internets zu einem Gebot der Stunde machen. „Die Bagger können jetzt schnell kommen“, verkündete Infrastrukturminister Stöger bei der Vorstellung der Förderrahmenbedingungen Anfang März. Man ist geneigt zu sagen: Sie können nicht nur, sie müssen.

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