Knapp 82.000 Verletzte gab es vergangenes Jahr auf Österreichs Straßen. Menschliches Fehlverhalten ist dabei die häufigste Ursache. Um Personenverkehr insgesamt sicherer, umweltfreundlicher und effizienter zu gestalten, wird immer mehr Intelligenz in Fahrzeuge und Straßen integriert. Das Ziel: weitgehend autonomes – und fehlerfreies – Fahren.
Den Großteil des Verkehrs legen wir in der EU immer noch mit dem Auto zurück: 83 Prozent des Personenbinnenverkehrs entfallen auf Pkws. Busse (rund neun Prozent) und Züge (7,6 Prozent) machen jeweils weniger als ein Zehntel des gesamten Verkehrsaufkommens aus – gemessen an der Zahl der zurückgelegten Kilometer. Der sogenannte „Modal Split“, also die Aufteilung der persönlichen Mobilität nach Verkehrsträgern, blieb damit in den vergangenen zehn Jahren weitgehend konstant. Nur die Nutzung der Eisenbahn nimmt tendenziell zu, weist das statistische Amt der Europäischen Union (Eurostaat) aus. Um diese acht von zehn Personenkilometern sicherer zu machen, weist uns bereits heute die in Fahrzeugen eingebaute IKT auf Glatteisgefahren hin, gibt Warnsignale ab, wenn Radarsensoren mögliche Hindernisse orten, und kontrolliert über eingebaute Kameras, ob wir in einen Sekundenschlaf fallen. Nicht nur das Fahrzeug selbst, sondern auch die Straßeninfrastruktur wird dafür umfassend mit Sensorik ausgestattet, um Daten zu sammeln und im Sinne eines sicheren und effizienteren Verkehrs zu nützen. Thermoscanner vor Tunnels fangen überhitzte Lkws ab, um Brände zu vermeiden. Videokameras und Spezialmikrofone sollen helfen, Unfälle früher zu erkennen und zu orten.
Hohe Datendichte in Österreichs Verkehr
In Österreich werden vergleichsweise viele und gute verkehrsrelevante Daten erhoben, zeigt sich Allan Hanbury von Research Studios Austria und Koordinator des österreichischen IKT-Leuchtturmprojekts Data Market Austria (DMA) überzeugt. „Es gibt bereits sehr viele Daten. Auch im Bereich Open Data ist Österreich ziemlich weit fortgeschritten. Aber es fehlt eine gemeinsame Plattform, die gesammelt Informationen bereitstellt. Deshalb haben wir mit dem Forschungsprojekt Data Market Austria wirklich die Möglichkeit, weltweit ein Vorzeigeprojekt aufzusetzen“, so Hanbury. Das Projekt Data Market Austria zielt darauf ab, eine deutlich verbesserte Technologiebasis für sichere Datenmärkte, also Umschlagplätze für den Kauf und Verkauf von Daten, bereitzustellen, Cloud-Interoperabilität zu gewährleisten und ein Umfeld für Innovationen zu etablieren. Ein erstes Pilotprojekt soll Taxifahrern eine erfolgreichere Suche nach Fahrgästen ermöglichen.
Auf dem Weg zum selbstfahrenden Auto
Der nächste Schritt auf dem Weg zum autonomen Fahren befindet sich bereits im Testverfahren: Fahrzeuge und Infrastruktur kommunizieren direkt miteinander ebenso wie die Fahrzeuge untereinander: V2X umfasst sowohl Vehicleto-Vehicle(V2V)- als auch Vehicle-toInfrastructure(V2I)-Kommunikation. „Auf diese Weise kann Transport neu gedacht werden, weil der menschliche Fahrer nicht mehr berücksichtigt werden muss“, so Harald Wahl, Verkehrsexperte an der FH Technikum Wien. „Die Vielzahl an zukünftig verfügbaren Daten kann automatisierte Entscheidungen unterstützen oder im Prinzip sogar eine globale Verkehrssteuerung ermöglichen. Die Ziele dahinter: umweltfreundlicher Verkehr und Transport, Zeitersparnis und natürlich Sicherheitsgewinn durch vertrauenswürdige Systeme.“ Im Bereich autonomes Fahren ist Österreich federführend in der Forschung und Entwicklung: Seit Ende 2016 können Autohersteller in Zusammenarbeit mit der österreichischen Zulieferindustrie automatisierte Fahrzeuge testen – unter realen Bedingungen auf der Südautobahn und auf Teilen der Pyhrnautobahn. Dafür wurde die bestehende Sensorik verdichtet, um bessere Umfelddaten über Wetter, Niederschlag und Verkehr zu erhalten. Ebenso wurden zusätzliche hochauflösende HD-Kameras installiert. Ein Strategiepapier des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit) mit dem Titel „Development & Innovation Roadmap for Automated Vehicles“ beschreibt die dafür notwendige Entwicklung von Komponenten, Teilen, Services, Infrastruktur, Pilotprojekten und Testregionen für autonome Fahrzeuge. ECSELAustria, ein Netzwerkpartner des FEEI, hat die Erstellung dieser Roadmap für das bmvit koordiniert. „AVL, Magna, das Kompetenzzentrum Virtual Vehicle, Joanneum Research und die TU Graz wollen unter dem Dach von ALP.Lab (Austrian Light Vehicle Proving Region for Automated Driving) eine entsprechende Testregion mit der notwendigen Infrastruktur in der Steiermark aufbauen und Kunden aus der Automobilindustrie neben Teststrecken auch die zur Datenaufzeichnung notwendige Technik und eine vollständige Simulationsumgebung anbieten“, so Josef Affenzeller, Koordinator für nationale und internationale Forschung bei der AVL List GmbH in Graz. Bis selbstfahrende Autos Personen und Güter unter unterschiedlichen Bedingungen sicherer transportieren als der Mensch, wird noch einige Zeit vergehen. Die Stolpersteine sind laut Affenzeller sowohl technischer als auch sozialer Natur: „Der Rechner folgt Regularien. Manchmal muss man aber davon abweichen und spontan anders reagieren. All diese Regeln und deren Abweichungen muss ich der Maschine beibringen. Sind die technischen Herausforderungen gemeistert, müssen soziale Hürden überwunden werden. Für die SAE-Klassifizierungsstufe 3 des autonomen Fahrens ist in unserer Gesellschaft bereits Akzeptanz vorhanden. Bei Level 5 (kein Fahrer erforderlich) sieht es anders aus. Die Menschen möchten lieber selber fahren als von einem Computer gefahren werden.“
Zukunftsprognosen
In einer klar abgegrenzten Umgebung, wie etwa im Schienenverkehr, funktioniert autonomes Fahren bereits tadellos. Bis 2020 wird erwartet, dass sich bedingte Automatisierung (SAE Level 3) zumindest in Bereichen mit geringer Geschwindigkeit und in weniger komplexer Fahrumgebung wie etwa auf Parkplätzen durchsetzt. Dafür bedarf es allerdings noch einiger tausend Kilometer Erfahrung in der Praxis. Das autonome Fahrzeug ist ein interessantes Testobjekt und Treiber für Big Data im Verkehr – also die Verarbeitung einer umfangreichen Menge unstrukturierter und semistrukturierter Daten. Aber in der Zukunft geht es darum, Mobilität neu zu denken, unabhängig von einzelnen Verkehrsmitteln und über Ländergrenzen hinweg, meint Datenspezialist Hanbury: „Meine große Vision ist, dass mein Handy weiß, welchen Flug ich gebucht habe, und automatisch den Wecker einstellt, das Taxi für eine bestimmte Uhrzeit bucht oder mir die Zugabfahrtszeiten zeigt usw. Für alles bezahle ich nur mit einer App.“
Ein Großteil der technischen Lösungen für die Datenkommunikation ist standardisiert. Technisch gelingt dies durch kooperative Systeme. Sie ermöglichen die direkte Kommunikation zwischen Fahrzeugen, straßenseitiger Verkehrsleittechnik und Verkehrsleitzentralen. Man spricht von V2X-Kommunikation (Vehicle-toVehicle- bzw. Vehicle-to-Infrastructure) oder von C-ITS (Cooperative Intelligent Transport Systems). Die Basis für eine europaweite Einführung kooperativer Systeme ist geschaffen. In Österreich haben sich einige namhafte Unternehmen, auch aus der Elektro- und Elektronikindustrie, gemeinsam mit Deutschland und den Niederlanden zum sogenannten „C-ITS Corridor Rotterdam–Frankfurt–Wien“ zusammengeschlossen. Übergreifende Ziele aus technologisch-industrieller Sicht sind ein europäischer Standard für V2X-Kommunikation, die Etablierung eines Systems, das zukünftig um andere kooperative Dienste erweitert werden kann, ein grenzübergreifender Frequenzbereich für V2XApplikationen und weltweit harmonisierte V2X-Standards.