Die Sektoren Gesundheit und Energie lassen unmittelbar keine inhaltlichen Überschneidungen erkennen. Gemeinsamkeiten wurden allerdings im Zuge der Digitalisierung sichtbar: Der Datenaustausch nimmt zu und standardisierte Schnittstellen erlangen eine zunehmende Bedeutung.
Die Ausgangssituation ist in vielen Bereichen die gleiche: Solange es keine einheitlichen Standardisierungsprozesse gibt, entstehen Insellösungen und proprietäre Systeme. So war es auch bei den Informations- und Kommunikationsnetzen unserer Energiesysteme der Fall. Die Folge sind fehlende Interoperabilität, hohe Kosten für proprietäre Schnittstellen und fehlende Effizienz, um den notwendigen und sicheren Datenaustausch im Gesamtsystem gewährleisten zu können. Der Gesundheitssektor ist mit der herstellerübergreifenden Initiative „Integrating the Healthcare Enterprise“ (IHE) bereits viele Schritte in Richtung Sicherstellung der Interoperabilität voraus. Auf Basis von sogenannten IHE-Profilen funktioniert hier schon vielfältiger und sicherer Datenaustausch, auch über Organisations- und Landesgrenzen hinaus. Im Energiesektor findet derzeit der Wandel zu Smart Grids statt, was eine engere Vernetzung der Energieinfrastrukturen mit den IKT-Komponenten mit sich bringt. Die (noch fehlende) Interoperabilität spielt hierbei eine tragende Rolle, somit ist es ein vielversprechender Ansatz für das Energiesystem, die im Gesundheitswesen schon lange Jahre international erfolgreich eingesetzte standardisierte Methodik der IHE zu adaptieren und nachhaltig zu etablieren.
Österreich in der Vorreiterrolle
Österreich hat diesen Weg eingeschlagen und agiert mittlerweile in einer Vorreiterrolle. Ausgangspunkt ist das Projekt „Integrating the Energy System“ (IES) der Technologieplattform Smart Grids Austria. „Interoperabilität ist ein heißes Eisen. Bis dahin ist es für den Energiesektor noch ein weiter Weg“, sagt Angela Berger, Projektleiterin von IES und Geschäftsführerin von Smart Grids Austria. „Doch mit der steigenden Dezentralisierung müssen die einzelnen Akteure im Energiesystem automatisiert Daten austauschen können, um zur Netzstabilität beitragen und Demand-Side-Management leisten zu können. In den kommenden zwei Jahren werden wir einen Prozess zur Profilentwicklung, streng ausgerichtet auf die Maßgaben des SmartGrid-Mandats M490 der Europäischen Kommission, und eine neutrale, herstellerunabhängige Testplattform zur Interoperabilität im Smart Grid entwickeln – ein Meilenstein zur Interoperabilität im Smart Grid und damit für die Energiewende.“ Das Projekt entwickelt keine neuen Standards, es definiert deren normierte Anwendung in sogenannten Interoperabilitätsprofilen. Der große Vorteil des Projekts ist die Nutzung des Knowhows aus den jahrelangen Erfahrungen im Gesundheitssektor.
Die Energiewende als Treiber für Smart Grids
Ein wichtiger Treiber für die Entwicklung von einheitlichen Profilen und Standards ist die Energiewende. Der steigende Anteil aus Strom durch Windkraft- und Photovoltaikanlagen ist eine große Herausforderung und macht eine flexible Anpassung des Verbrauchs an die Erzeugung unbedingt notwendig. Das funktioniert allerdings nur, wenn Systemdienstleistungen und Flexibilität automatisch und ohne
manuelles Eingreifen bereitgestellt werden können. Neue Anforderungen an die Netze und den Energiemarkt machen es notwendig, dass Daten einfach, sicher und kostengünstig zwischen unterschiedlichen Systemen ausgetauscht werden können. Ohne Interoperabilität wird es keine vernetzten Anwendungen in komplexen Systemen mit Komponenten unterschiedlicher, im Wettbewerb stehender Marktteilnehmer geben. Nahtlose Interoperabilität im Smart Grid ist eine Grundvoraussetzung für die Nutzung von Flexibilität, die Steigerung der Aufnahmekapazitäten der Netze für erneuerbare Energien und die Entwicklung neuer Marktchancen. „Das Zusammenwirken unterschiedlicher Komponenten ist seit langem eine der wesentlichen Herausforderungen in der Automatisierung. Je größer das digitale Ökosystem im Energiesektor, desto schwieriger wird die
Herstellung von Interoperabilität
werden. Gerade die steigende Vielzahl von Marktteilnehmern und Produkten erfordert eine einheitliche Plattform für die Validierung interoperabler Kommunikation“, spricht Erwin Raffeiner, Geschäftsführer bei Sprecher Automation und IES-Projektpartner, aus langer Erfahrung.