Industrie 4.0 im CERN-Teilchenbeschleuniger

Das Team um Andreas Kollegger (rechs) und Maximilian Lackner (links) koordiniert an der FH Technikum Wien die Kooperation mit dem CERN.

Produktionsspezialisten der Fachhochschule sollen die Herstellung von Tiefsttemperatur-Magneten für das europäische Kernforschungszentrum CERN automatisieren.

Seit dem Frühjahr 2018 kooperiert die FH Technikum Wien offiziell mit dem europäischen Kernforschungszentrum CERN in Genf. Für das technische Upgrade des dort betriebenen weltgrößten Teilchenbeschleunigers Large Hadron Collider (LHC) werden die Forscher der FH Lösungen zur automatisierten Produktion der zentralen Bauteile des Beschleunigers – der Magneten – entwickeln. Der LHC ist insgesamt 26,7 Kilometer lang und enthält 1.232 supraleitende Tiefsttemperatur-Dipolmagnete, über welche die Elementarteilchen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und dann mit extrem hoher kinetischer Energie – äquivalent der Energie eines Hochgeschwindigkeitszuges in voller Fahrt – zur Kollision gebracht werden. „In diesem Zusammenhang ist unter anderem wesentlich, dass für jeden einzelnen dieser über 1.000 Dipolmagnete die spezielle Spulengeometrie mit sehr kleinen Fertigungstoleranzen bei gleichzeitig guter Wiederholbarkeit garantiert werden muss“, erklärt Andreas Kollegger, Leiter der Maschinenbau-Studiengänge und operativer Koordinator der CERN-Kooperation der FH Technikum Wien.

Diese sehr kleinen Fertigungstoleranzen können aber nicht mehr mittels standardisierter Maschinen gewährleistet werden, hierfür ist im CERN eigens eine spezielle Maschine entwickelt worden. Um deren Produktionsdurchlaufzeiten weiter zu verringern und somit die hohe Anzahl an Magneten zeitgerecht innerhalb des Gesamtprojekts herstellen zu können, soll nun an der Automatisierung des Wicklungsvorgangs der Magnetspulen geforscht werden. „Wir arbeiten daher mit unserem beträchtlichen Know-how im Bereich Industrie 4.0 intensiv daran, Ansätze für diese Automatisierung zu entwickeln und in Laborversuchen zu demonstrieren. Der spezielle Beitrag der FH wird dabei im Bereich der kinematischen Optimierung einzelner Baugruppen liegen, um so Robustheit und Fertigungsgenauigkeit zu erhöhen. Hierbei sind zahlreiche, über Industriestandards weit hinausgehende Herausforderungen zu beachten, wie etwa die Verarbeitung der sehr speziellen Werkstoffpaarung Nb3Sn (Niob-3-Zinn). Dank unserer intensiven Zusammenarbeit mit der Industrie werden wir die konkreten Anforderungen des CERN bestmöglich in die Praxis umsetzen. Dabei versuchen wir auf Wissen, Konzepte und Maschinen zurückzugreifen, die wir bereits im Haus haben“, sagt Kollegger.

Die FH Technikum Wien ist derzeit als einzige österreichische Fachhochschule als Partner in die Entwicklung des zukünftigen Future Circular Colliders (FCC) eingebunden, der den LHC am CERN eines Tages ersetzen soll. Für Kollegger eine einzigartige Sache: „Der FCC wird uns sicher zumindest die nächsten 20 bis 30 Jahre beschäftigen. So haben wir die einmalige Chance, ein kleines Stückchen der Kernphysik der Zukunft technisch mit zu ermöglichen.“

Mag. Katharina Holzinger

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