"Ich kann mich an kein vergleichbares Technologiethema erinnern, das die Industrie in den vergangenen Jahren in einem ähnlichen Ausmaß beschäftigt hat wie Industrie 4.0. Europa, die USA, Asien – alle großen Industrienationen beschäftigen sich mit der Frage, wie mit intelligenter Produktion Wettbewerbsvorteile zu erzielen bzw. bestehende Nachteile auszuhebeln sind.
Sicher, der Begriff Industrie 4.0 ist ein Wortkonstrukt, das eine vierte industrielle „Revolution“ beschreiben soll und den Aufbruch in eine neue Welt antizipiert.
Unabhängig davon, welchen Namen wir dieser Entwicklung geben – Smart Factory, Future of Manufacturing oder Cyberphysical Production Systems –, es besteht weitgehend der Konsens, dass die Digitalisierung der größte Innovationstreiber der Welt ist, und natürlich auch die Digitalisierung der Produktion. Es wird alles digitalisiert werden, was digitalisiert werden kann.
Auch wenn man sich am Begriff stößt, der für mich wichtige Punkt ist: Ohne Industrie 4.0 wird die Produktion nicht in Europa bleiben. Industrie 4.0 ist die große Chance, den internationalen Wettbewerb nicht mehr ausschließlich über Standortkosten führen zu müssen, sondern mit Know-how, integrativem Management von komplexen Systemen und gesteigerter Ressourcen- und Energieeffizienz entscheidende Wettbewerbsvorteile zu erzielen.
Wir wissen, dass die europäische Industrie einem zunehmenden, globalen Wettbewerbsdruck ausgesetzt ist. Der Industrieanteil war in vielen EU-Mitgliedstaaten in den vergangenen Jahren de facto rückläufig. Aufstrebende Wirtschaftsregionen hingegen, allen voran Asien, konnten ihren Anteil an der globalen industriellen Wertschöpfung signifikant steigern. Europa kann im Wettbewerb mit Billiglohnländern nicht reüssieren. Erfolg kann folglich nur in einer höheren Wertschöpfung liegen.
Der FEEI hat aus diesem Grund mit dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, Alois Stöger, die Initiative ergriffen und die Gründung einer gemeinsamen Plattform vorangetrieben. Unter dem Namen „Industrie 4.0 Österreich – die Plattform für intelligente Produktion“ wurde sie im Mai 2015 aus der Taufe gehoben. Dem FEEI und dem Ministerium war es wichtig, dass ein breiter Schulterschluss gelingt. Die digitale Produktion reicht in weite Bereiche – von Big Data bis Arbeitsorganisation –, die in der Plattform diskutiert und wofür Synergien erarbeitet werden sollen. Zu den Gründungsorganisationen zählen neben bmvit und FEEI auch der Fachverband Maschinen und Metallwaren Industrie (FMMI), die Industriellenvereinigung, die Arbeiterkammer und die Gewerkschaft PRO-GE. Unternehmen der Industrie möchte ich hiermit aufrufen, die Tätigkeit des Vereins als Mitglieder aktiv mitzugestalten!
Diese Form des Dialogs und der Zusammenarbeit ist wichtig, um an einem Strang zu ziehen, um Initiativen auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene zu koordinieren und dadurch ein gemeinsames Ziel erreichen zu können: Nämlich die Chancen von Industrie 4.0 bestmöglich für Österreich und die österreichische Industrie zu nutzen, die industrielle Leistungs- und Innovationsfähigkeit zu stärken und Österreich damit als zukunftsfähigen Produktionsstandort zu sichern.
Welche Aufgaben hat die Plattform, was kann und soll sie leisten? Zum einen wird sie Zielgruppen mobilisieren und informieren. Dies ist dringend notwendig, denn es gibt sowohl in der Öffentlichkeit als auch bei Unternehmen selbst noch viel Unverständnis darüber, was Industrie 4.0 bedeutet und wie diese Vision umgesetzt werden kann. Laut Umfragen sieht nicht einmal die Hälfte der Unternehmer darin einen Trend, dem man Rechnung tragen müsse, jeder Fünfte glaubt an einen vorübergehenden Hype. Wichtige Aufgabe der Plattform ist daher, Handlungsfelder zu identifizieren – von der Aus- und Weiterbildung bis zur Kommunikation. Und natürlich wird Forschung, Innovation und Technologieentwicklung ein wesentliches Tätigkeitsfeld sein. Viel Arbeit wartet auf die Akteure auch in Bezug auf die Formulierung notwendiger Rahmenbedingungen. Letztendlich soll die Plattform den Mitgliedern die Möglichkeit geben, Erfahrungen und Ideen auszutauschen.
Industrie 4.0 ist ein Mammutprojekt, das zahlreiche verschiedene Branchen und auch Unternehmen betrifft. Nicht nur die großen industriellen Produzenten, sondern auch Zulieferer und Dienstleister – also für genau jene, für Österreich so typische mittelständische Unternehmen. Den eingangs diskutierten Begriff Industrie 4.0 könnte – oder besser sollte – man daher auf Wirtschaft 4.0 ausweiten. Es ist ein Netzwerk, das nicht nur Fabriken, sondern auch Gewerbebetriebe und Dienstleister einbezieht. Zwar werden Großproduzenten den Takt vorgeben, aber die Zulieferer werden sich in den Rhythmus einreihen. Industrie 4.0 wird daher kein Thema der Hochtechnologieunternehmen bleiben, sondern auch das klassische Gewerbe betreffen, sobald auch die Produkte selbst intelligenter werden
In der Diskussion um Technologie, Produktion und Fortschritt dürfen wir den wichtigsten Stakeholder im ganzen Prozess nicht zu kurz kommen lassen: den Kunden. Er rückt mehr und mehr in den Mittelpunkt. Letztlich geht es in der Industrie 4.0 darum, den Kundennutzen zu maximieren, bis hin zur Losgröße 1. Es wird entscheidend sein, die Wertschöpfungskette bis zum Konsumenten auszudehnen. Diesen Gedanken zu Ende zu spinnen, bedeutet, dass der Kunde oder Geschäftspartner von Beginn an in den Prozess eingebunden wird. Das Unternehmen muss ein neues Geschäftsmodell aus Industrie 4.0 und einen Mehrwert für seinen Kunden entwickeln.
Lassen Sie mich abschließend fünf gute Gründe für Industrie 4.0 formulieren:
Es ist selbstverständlich, dass ein Wandel dieser Größenordnung nicht über Nacht vonstattengehen kann, sondern vielmehr eine Evolution in kleinen Schritten ist. Umstellungen in der Produktion funktionieren eben nicht von heute auf morgen. Jetzt muss die Wende für neue Technologien geschaffen werden. Die Digitalisierung von Anlagen findet statt, aber erst punktuell innerhalb der Wertschöpfungskette. Der nächste Schritt wird es daher sein, dass wir diese Ketten miteinander vernetzen.
Industrie 4.0 ist eine große Chance. Österreich ist gut gerüstet und kann seine internationale Wettbewerbsfähigkeit ausbauen, wenn nun die richtigen Schritte gesetzt werden. Ich sehe dieser Zukunft positiv entgegen: Jede industrielle Revolution hat letztlich zu mehr Wachstum, Wohlstand und Kaufkraft geführt."