Vergaberecht unter der Lupe

Österreich schneidet bei Bestbieterverfahren im europäischen Vergleich schlecht ab

Verkehr

Die öffentliche Hand schreibt jährlich rund 35 Mrd. Euro aus. In den fünf Jahren von 2009 bis 2014 wurden in Österreich rund 20.000 Ausschreibungen im Oberschwellenbereich (Güter und Dienstleistungen über einem Wert von 162.000 Euro sowie Baudienstleistungen über einem Wert von 6,2 Mio. Euro) vergeben. Bei nur etwas mehr als der Hälfte davon wurde das Bestbieterprinzip angewendet, das heißt eine Vergabe unter Berücksichtigung von Kriterien wie Qualität und Lebenszykluskosten.

Das prekäre Problem: die Bestbieterverfahren sind in Österreich meist reine Billigstbieterverfahren mit Feigenblattkriterien, wie nun die vom FEEI beim Wifo in Auftrag gegebene Studie deutlich zeigt. Nicht nur, dass der überwiegende Teil der Bestbieterausschreibungen stark preisdominiert ist – in kaum einem anderen EU-Land werden die Nicht-Preis-Kriterien so gering gewichtet wie in Österreich. Nur Polen und Slowenien schneiden in dieser Bewertung schlechter ab.

Warum sind die ausschreibenden Stellen nach wie vor skeptisch gegenüber der Anwendung preisfremder Kriterien bei Ausschreibungen? Die Ursachen orten sowohl die Studienautoren als auch wir im gänzlich fehlenden Bewusstsein, mangelnden Mut und ungenügenden Kompetenzen, um komplexe Projekte nach einem „echten“ Bestbieterverfahren auszuschreiben und dadurch Wertschöpfung in Österreich zu generieren, ohne EU-Wettbewerbsrecht zu verletzen.

„Die öffentliche Hand ist einmal mehr gefordert, als Lead User starke Impulse für innovative und nachhaltige Technologien made in Austria setzen!“

Lothar Roitner, Geschäftsführer des FEEI

Die Gesetze und Rahmenbedingungen existieren bereits, dieser Spielraum wird aber nicht genutzt. Das Ergebnis der Wifo-Studie bedeutet, dass das Bestbieterprinzip nicht konsequent genug angewendet wird. Der FEEI wird sich in der kommenden Vergaberechtsnovelle verstärkt einbringen, um Innovationen und lokale Wertschöpfung im Interesse unserer Unternehmen stärker abzubilden. „Die öffentliche Hand ist einmal mehr gefordert, als Lead User starke Impulse für innovative und nachhaltige Technologien made in Austria setzen!“, fordert Lothar Roitner, Geschäftsführer des FEEI.

Das Bestbieterprinzip in Zahlen:

  • Von rund 18.600 Ausschreibungen seit 2009 wurden 54% mittels Bestbieterprinzip vergeben
  • Im europäischen Vergleich befindet sich Österreich damit im Mittelfeld
Bestbieterverfahren in der EU
  • Der überwiegende Teil der Bestbieterausschreibungen ist aber stark preis-dominiert
Anteil preisfremder Kriterien bei Bestbieterausschreibungen in Österreich
  • Bestbieterprinzip in FEEI-Branchen: überdurchschnittlich hohe Preisgewichtung, unterdurchschnittliche Gewichtungen von Qualität, Lieferung, Service, Garantie und Nachhaltigkeit
Durchschnittliches Gewicht von Kriterien in Vergaben in ausgewählten europäischen Ländern

§20 BVerG (2006): Das „technisch-wirtschaftlich günstigste Angebot“ wird unter Berücksichtigung anderer Kriterien als dem Preis ermittelt. Andere Kriterien können z.B. Qualität, technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften, Betriebskosten, Rentabilität, Kundendienst und technische Hilfe, Lieferzeitpunkt oder Ausführungsfrist sein.

Eine wesentliche Stärkung erfuhr das Bestbieterprinzip durch die Novelle 2015 BVerG, die eine verpflichtende Verwendung in spezifischen Fällen vorsieht. In der österreichischen Diskussion wird das Bestbieterprinzip oft mit industrie-, sozial- und umweltpolitischen Zielen verknüpft  - Stichwort „Faire Vergaben“. Quelle: Wifo, Das öffentliche Beschaffungswesen im Spannungsfeld zwischen Billigstbieter- und Bestbieterprinzip. 2016.

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