Bestbietervergaben in Österreich

  • Jede fünfte Bestbietervergabe gewichtet den Preis mit mindestens 95 Prozent. 
  • In praktisch keinem anderen Land wird der Preis so stark gewichtet. 

In Österreich wird rund die Hälfte (54 Prozent) der Ausschreibungen im Oberschwellenbereich mittels Bestbieterprinzips vergeben. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass das Bestbieterprinzip, so wie es vom Gesetzgeber vorgesehen ist, deutlich zu kurz kommt. Tatsache ist, dass die Gewichtung von so genannten „preisfremden“ oder Nicht- Preis-Kriterien im Vergleich zu anderen europäischen Ländern bei weitem zu gering ist: Bei 19 Prozent der Bestbietervergaben – also bei rund jedem fünften Verfahren – beträgt das Gewicht des Preises über 95 Prozent und ist damit das beherrschende Kriterium. In rund 44 Prozent der Fälle beträgt das Gewicht des Preises über 80 Prozent (vgl. Abb. 2).

Vergaberecht Studie Abbildung 2

Preisfremde Kriterien weniger als 5 bis 10 Prozent

Wie Abbildung 1 zeigt, gibt es eine augenscheinliche Häufung von Bestbietervergaben, bei denen die preisfremden Kriterien weniger als 5 bzw. 10 Prozent Gewicht haben. Dies ist in rund einem Drittel aller Bestbietervergaben der Fall. Wie bereits beschrieben, werden in beinahe 20 Prozent der Ausschreibungen Nicht-Preis-Kriterien gar mit 5 oder weniger Prozent gewichtet. Bei rund 44 Prozent aller Bestbieterausschreibungen ist das Gewicht des Preiskriteriums zumindest 80 Prozent.

Vergaberecht Studie Abbildung 1

Überhaupt zeigen sich in der Verteilung der in Österreich angewandten Bestbietervergaben zwei „Ausreißer“: So häufen sich einerseits Vergaben mit sehr geringem Einfluss von preisfremden Kriterien und andererseits Vergaben, bei denen der Preis rund 50 Prozent Gewicht erhält. Ausschreibungen, in welchen preisfremde Kriterien mehr als 60 Prozent oder 70 Prozent erhalten, sind äußerst selten. Am häufigsten wird der Preis also entweder zu 95 oder mehr Prozent bzw. rund 50 Prozent gewichtet. Geringer als 50 Prozent wird der Preis in nur 15 Prozent der Fälle gewichtet (vgl. Abb. 1).

Feigenblattkriterien

Die Vergabepraxis in Österreich ist im internationalen Vergleich sehr stark preisdominiert: In keinem anderen Land sind derart viele Bestbieterverfahren in einem solchen Ausmaß vom Preis bestimmt. Österreich ist dabei eher mit Ländern wie Polen und Slowenien vergleichbar, die jedoch überproportional häufig vom Billigstbieterprinzip Gebrauch machen. In praktisch keinem anderen Land gibt es Bestbieterverfahren, die den Preis mit 95 Prozent oder mehr gewichten (der Anteil beträgt nur ein Prozent in den Vergleichsländern).

Nur Qualitätskriterien führen zu Verringerung des Preises

Der überwiegende Teil der Bestbieterausschreibungen ist also stark preisdominiert, obwohl Nicht-Preis-Kriterien zum Einsatz kommen. Eine eingehende Analyse zeigt jedoch, dass in Österreich im Wesentlichen nur Qualitätskriterien gegebenenfalls zu einer merkbaren Verringerung des Preises führen. Andere preisfremde Kriterien wie Lieferung, Nachhaltigkeit oder Service, die in anderen Ländern ebenfalls zur deutlichen Verringerung des Preises herangezogen werden, werden in Österreich überdurchschnittlich oft als Feigenblattkriterien eingesetzt und haben de facto keinen Einfluss auf das Ergebnis.

Gewichtung von Vergabekriterien

Neben der reinen Verwendung der Kriterien ist auch die Gewichtung von maßgeblicher Bedeutung. Im Durchschnitt aller Sektoren ist "Qualität" das häufigste preisfremde Kriterium und jenes mit der größten Gewichtung. Ausgesprochen häufig sind Vergaben, in welchen die Qualität mit 50 Prozent gewichtet ist. Bei den Branchen des FEEI zeigt sich eine große Übereinstimmung mit dem österreichischen Durchschnitt, wie in Abbildung 4 dargestellt. Stärkere Abweichungen gibt es bei den Sektoren des FMTI. Der Preis erhält großteils über 80 Prozent Gewicht, dementsprechend liegen die anderen Kriterien fast durchwegs bei weniger als 10 Prozent. 

Vergaberecht Studie Abbildung 4a
Vergaberecht Studie Abbildung 4b
Vergaberecht Studie Abbildung 4c